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Steckbrief
Heuschrecken Orthoptera

Die Heuschrecken (Orthoptera) sind eine Ordnung der Insekten (Insecta). Sie umfassen mehr als 28.000 Arten und kommen weltweit in allen terrestrischen Lebensräumen, mit wenigen Arten auch im Süßwasser, vor. Einige pflanzenfressende (phytophage) Arten neigen zu Massenvermehrungen und sind, vom Altertum bis heute, von hoher ökonomischer Bedeutung.

Die Heuschrecken werden in zwei leicht unterscheidbare Gruppen unterteilt, die Langfühlerschrecken (Ensifera) und Kurzfühlerschrecken (Caelifera). Das Schwestergruppenverhältnis dieser, und damit die Monophylie des Taxons Orthoptera, ist aufgrund morphologischer und molekularer Studien vielfach bestritten worden (vgl. dazu den Abschnitt Systematik). Heute deutet aber die überwiegende Mehrzahl der Studien auf eine Zusammengehörigkeit hin.

Beschreibung & Aussehen

Die Heuschrecken werden gegenüber verwandten Ordnungen durch folgende gemeinsame morphologische Merkmale (Autapomorphien) abgegrenzt:


  • Bau des Pronotums: Dieses ist an den Seiten („sattelförmig“) herabgezogen. Es bedeckt die Pleuren, die stark rückgebildet und desklerotisiert sind („Cryptopleurie“).

  • Bau der Hinterbeine: Diese sind als Sprungbeine ausgebildet. Die Schenkel (Femora) sind zur Aufnahme der Sprungmuskulatur vergrößert. Die Schienen (Tibien) sind meist stabförmig. Sie tragen auf der Oberseite zwei charakteristische Längsreihen aus kurzen Dornen. Es gibt Heuschrecken ohne Sprungvermögen, hier nimmt man aber einen sekundären Verlust an (z. B. bei unterirdischer Lebensweise). Arten aus verwandten Ordnungen besitzen manchmal Sprungvermögen, dieses ist dann aber auf anderer anatomischer Basis erreicht worden.

  • Die vordersten Atemöffnungen (Stigmen) am Thorax sind zweiteilig. Der queren Teilung entsprechen zwei abgehende Tracheenstämme.

  • Die Flügelanlagen der Nymphen (oder Larven) sind in den letzten beiden Larvalstadien umgestülpt, so dass die Hinterflügel auf der Oberseite liegen.

  • Die Basis des Legebohrers (Ovipositor) ist durch eine vergrößerte Subgenitalplatte verdeckt.

Daneben gibt es zahlreiche weitere Gemeinsamkeiten, die aber schwerer zu deuten sind. So haben sie mit zahlreichen verwandten Ordnungen gemeinsam, dass die Zahl der Tarsenglieder immer vermindert ist, von ursprünglich fünf auf meist drei oder vier. Die Cerci, Anhänge des Hinterleibsendes, bestehen gleichfalls immer nur aus wenigen Gliedern oder nur einem Glied.
Der Heuschreckensprung erfolgt durch ruckartige Streckung des Gelenks zwischen Femur und Tibia. Feldheuschrecken wie die Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria) können eine Sprungweite von einem Meter (mit Startgeschwindigkeiten von 3,2 Meter pro Sekunde) erreichen. Die meisten Laubheuschrecken sind schlechtere Springer. Aber auch die Gemeine Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera) kann 66 Zentimeter, und damit fast das Dreißigfache der Körperlänge, erreichen. Für den Sprung wesentlich ist die Anordnung der Muskeln mit einem stark verlängerten Strecker (Extensor-)Muskel, dessen Hebelarm zusätzlich durch die Führung der Sehne über einen knopfartigen Vorsprung verlängert wird. Außerdem werden für eine gewisse Periode Beuger- und Streckermuskeln gleichzeitig erregt, daraus resultiert beim Erschlaffen des Beugers eine explosionsartige Beschleunigung. Bei der Sprungmechanik sind zwei Typen unterscheidbar:


  • Bei den meisten Feldheuschrecken und Grillen wird die Energie für den Sprung überwiegend nicht durch die Muskelaktivität selbst, sondern durch Verformung des Außenskeletts, ähnlich einer gespannten Feder, gespeichert. Dadurch kann beim Lösen eines Sperrmechanismus die Energie ruckartig freigesetzt werden. Ein Großteil der Federkraft wird meist in der Verformung eines halbmondförmigen Sklerits nahe dem Gelenk gespeichert.

  • Bei den meisten Laubheuschrecken erfolgt der Sprungantrieb überwiegend durch direkte Muskelkontraktion. Zur Verbesserung der Sprungeigenschaften besitzen sie besonders stark verlängerte Hinterbeine.

Heuschrecken besitzen meist relativ schmale Vorderflügel. Die Hinterflügel sind hinten zu einem großen Analfächer oder „Vannus“ erweitert und erreichen dadurch ein Vielfaches der Fläche der Vorderflügel. Sie tragen etwa drei Viertel zum Auftrieb bei.[14] Der Vannus ist durch Längsadern, ähnlich dem Gestänge eines Regenschirms, aufgespannt und durch zahlreiche Queradern versteift. Seine Fläche ist durch abwechselnd hoch und tief stehende Adern (Korrugation) Wellpappe-artig versteift. In Ruhelage wird er entlang dieser Linien wie ein Fächer eingefaltet. Die Vorderflügel sind bei den meisten Heuschrecken derb und lederartig als Deckflügel (Tegmina) ausgebildet, es gibt aber Gruppen mit dünnen, membranösen Vorderflügeln. Bei vielen Arten ist der Raum vor der vorderen Randader, der Costa, auffallend erweitert und bildet ein sogenanntes Präcostalfeld aus (mögliche Autapomorphie). In Ruhelage werden die Flügel meist dachförmig über dem Hinterleib, seltener flach auf dessen Oberseite liegend, getragen.

Beim Flug werden beide Flügelpaare unabhängig voneinander bewegt. Die Hinterflügel sind im Abschlag aufgewölbt, im Gegensatz zu anderen Insektenordnungen werden sie im Schlag nicht gedreht und tragen im Aufschlag nichts zum Auftrieb bei. Durch den Flugmechanismus sind viele Heuschrecken zwar schnelle und ausdauernde Flieger, besitzen aber nur geringe Manövrierfähigkeit.
Bei den meisten Heuschrecken, sowohl Caelifera wie Ensifera, finden sich die Geschlechter durch Gesänge des Männchens, welches das Weibchen anlockt. Um die erzeugten Laute auch hören zu können, besitzen sie außerdem Hörorgane, die Tympanalorgane, die ähnlich wie Wirbeltierohren, Schall durch den Schalldruck detektieren können, also nicht nur die Schwingungen aufnehmen. Obwohl sie diese auch anders, zum Beispiel zur Erkennung der Ortungslaute von Fledermäusen nutzen, ist dies ihr eigentlicher biologischer Zweck. Sowohl die Lauterzeugung als auch das Hören findet allerdings in beiden Unterordnungen an verschiedenen Stellen und nach völlig unterschiedlichen Prinzipien statt, so dass man von Konvergenz ausgehen muss.

Nahrung

Heuschrecken besitzen kräftige Beißmandibeln, die bei allen Arten für die Nahrungsgewinnung wesentlich sind. Die Mandibeln fast aller Arten sind asymmetrisch (linke und rechte Mandibel sind verschieden) und überlappen sich etwas in Ruhelage. Die Mandibel besteht, wie bei vielen Insekten, aus einer vorderen, meist gezähnten Schneidekante (Incisivi) und einer dahinter liegenden, verbreiterten Kaulade (Molarregion, Mola) zum Zermahlen der Nahrung. Je nach Ernährungstyp und Vorzugsnahrung ist der Bau der Mandibeln (untergeordnet auch der anderen Mundwerkzeuge) abgewandelt. Unterschieden werden ein graminivorer Typ (Gräser), ein herbivorer oder forbivorer Typ (Kräuter) ein graminivor-herbivorer oder ambivorer Typ (beides), ein omnivorer Typ (Pflanzenfresser und Räuber) und ein karnivorer Typ (Räuber). Einige Untersucher unterscheiden weitere Typen und Subtypen.

Viele Arten sind in der Art ihrer Nahrung tatsächlich wenig spezialisiert (omnivor), sowohl im Nahrungswahlversuch im Labor wie auch nach Freilandbeobachtungen und Analyse von Nahrungsresten im Kropf oder im Kot akzeptieren sie sowohl tierische wie auch pflanzliche Kost in wechselnden Anteilen. Unter den pflanzenfressenden (phytophagen) Insekten sind die Heuschrecken eine Ausnahme: Sie sind die einzige Gruppe, bei der die Mehrzahl der Arten polyphag ist, d. h., dass sie Nahrungspflanzen aus mehr als einer Familie akzeptieren. Bei den anderen Gruppen sind es üblicherweise weniger als ein Viertel der Arten. Bei genauerer Untersuchung sind allerdings bei verschiedenen Arten und Artengruppen doch deutliche Präferenzen erkennbar, auch wenn die Tiere, z. B. in Notzeiten bei Nahrungsmangel, ausnahmsweise auch anderes akzeptieren. So ernähren sich die eigentlichen „Grashüpfer“ (Acrididae: Gomphocerinae) tatsächlich fast ausschließlich von Süßgräsern. Arten der Unterfamilie Melanoplinae hingegen bevorzugen, wie auch zahlreiche Laubheuschrecken und Grillen, krautige Pflanzen. Arten mit vegetationsarmen Vorzugshabitaten wie viele in Felsheiden oder Sandfluren lebende Dornschrecken (Tetrigidae) und Ödlandschrecken (Acrididae: Oedipodinae) ernähren sich zu größeren Anteilen von Algen, Flechten und Moosen. Obwohl viele Arten in Baumkronen leben, sind verhältnismäßig wenige auf Blätter von Laubbäumen spezialisiert. Allerdings ist außerhalb von Europa und Nordamerika die Biologie der meisten Arten (mit Ausnahme einiger landwirtschaftlicher Schädlinge) weitgehend unbekannt.

Fortpflanzung

Die Befruchtung findet bei allen Heuschrecken durch Übertragung eines Spermienpakets (Spermatophore) vom Männchen zum Weibchen statt. Bei den Caelifera wie den Feldheuschrecken (Acrididae) wird die Spermatophore intern mittels eines mehr oder weniger komplex gebauten Begattungsapparats (Aedeagus) appliziert. Beim Trennen der Partner bricht die Spermatophore auf, der tubusförmige Teil bleibt im weiblichen Genitaltrakt stecken. Dieser Tubus verhindert, bis er resorbiert worden ist, weitere Begattungsversuche von Konkurrenten. Der Aedeagus ist bei manchen Gruppen (Acrididae: Catantopinae, Melanoplinae) kompliziert gebaut und artspezifisch verschieden, bei vielen anderen aber zwischen den Arten sehr ähnlich und kaum unterscheidbar. Bei den Ensifera wie den Laubheuschrecken und Grillen fehlt ein Aedeagus. Das Männchen appliziert hier eine große Spermatophore außen. Diese enthält meist einen großen Anhangsteil (Spermatophylax), der nährstoffreich, aber frei von Spermien ist. Diese große Spermatophore dient nicht nur der Konkurrenz der Männchen untereinander, sondern liefert auch wertvolle Nährstoffe, die den Fortpflanzungserfolg des Weibchens steigern.

Eier, Larven & Nymphen

Die Ensifera nutzen ihren langen Legebohrer, um Eier entweder im Boden oder in weichem Pflanzengewebe zu versenken. Bei den Caelifera ist der Ovipositor sekundär umgebaut, von den drei Valvenpaaren ist eines bis auf Rudimente zurückgebildet. Die beiden anderen bilden lose Klappen aus. Sie dienen in der Regel als Grabwerkzeuge bei der Eiablage in den Boden. Bei einigen Arten werden die Eier stattdessen auch an Pflanzen abgelegt, dann aber immer oberflächlich.

Die meisten Heuschrecken legen ihre Eier einzeln oder in losen, kleinen Gelegen ab. Die Arten der Überfamilie Acridoidea (Feldheuschrecken und Verwandte) hüllen sie in eine Oothek ein. Diese besteht aus einem schaumigen Sekret, dass oft später erhärtet. Die Oothek kann mit Boden oder Pflanzenteilen verklebt und so zusätzlich getarnt sein.

Heuschreckennymphen ähneln den Imagines in ihrer Körpergestalt, in der Regel auch in ihrer Lebensweise. Heuschrecken sind also hemimetabole Insekten, eine Verpuppung findet nicht statt. Meist sind Nymphen und Imagines im selben Lebensraum nebeneinander verbreitet und besitzen identische oder ähnliche Nahrungspräferenzen. Flügelanlagen und Körperanhänge wie Legebohrer und Cerci sind vom ersten Nymphenstadium an vorhanden, so dass es nicht immer einfach ist, v. a. bei kurzflügeligen Arten, Nymphen von Imagines zu unterscheiden.

Aus dem Ei schlüpft bei allen Heuschrecken ein wurmförmiges („vermiformes“) erstes Stadium aus (Prolarve), das sich sofort (bzw. nach Verlassen der Oothek) zum ersten Nymphenstadium häutet. Die Zahl der Nymphenstadien ist zwischen den Arten variabel, sie kann außerdem auch innerhalb derselben Art je nach Tageslänge, Lebensbedingungen, und Geschlecht variabel sein. Die meisten Feldheuschrecken besitzen 4, 5 oder 6 Nymphenstadien (Maximum 10), bei Laubheuschrecken und Grillen sind es meist 5 bis 9 bei Wetas 7 bis 11. Die maximal gemessene Anzahl liegt hier bei 14 (beim Heimchen (Acheta domesticus) unter ungünstigen Lebensbedingungen).

Die meisten Heuschreckenarten besitzen eine Generation pro Jahr (monovoltin). Bei wenigen Arten gibt es zwei oder mehr Generationen im selben Jahr, oder eine Generation benötigt zwei Jahre, um den Lebenszyklus zu vollenden.

Wichtiger Hinweis:

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